
Wenn bei mir abends die „Härdöpfel" auf dem Herd köcheln, wandern meine Gedanken zu Werner.
Er war 82, als wir uns kennenlernten: Er zog seinen Karren voll Holz aus dem Wald, während ich schwer bepackt mit Wäsche aus der Praxis kam. Unsere Gespräche fanden meist an seinem Gartenzaun statt, wo ich nur kurz "Hallo" sagen wollte... und dann doch hängen blieb.
Seit dem Tod seiner Frau gab es bei ihm praktisch jeden Abend dasselbe Znacht: frische, selbstgemachte Rösti. Seit über 15 Jahren. "Ich mag das so sehr“, sagte er und zuckte mit den Schultern. Ich konnte spüren, wie uns beiden der Speichel im Mund zusammenlief.
Wir plauderten über Gott und die Welt. Worum es genau ging? Ich gestehe, ich weiss es nicht mehr. Unsere Herzen haben sich verstanden.
Mich fasziniert, wie Lebensmittel, Gewürze und Kräuter auf meinen Körper wirken. Liebend gerne pilgere ich durch Nahrungsmittel-Mekkas, entdecke unbekannte Aromen, lasse mich in ayurvedische Ernährungswelten entführen. Ich kaufe "Ünique Gemüse", zu klein, zu krumm, mit Schönheitsfehlern. Nach unseren Normvorgaben würde es im Abfall landen. Mein Winter-Vermicelles kommt frisch von gestern aus der Ässbar.
Trotzdem wird mir aus dem Thema Essen oft ein zu schwerwiegendes Konzept gemacht, eine schier unverdauliche Ideologie.
Dann lehne ich mich, mit Werner im Sinn, genussvoll zurück.
Seine Rösti. Seine Einfachheit.
Hat es ihn gestört, dass er keine Chia-Samen hatte? Hat er sich Sorgen um Omega-3-Quellen gemacht? Wohl kaum. Er hat gegessen, was in seinem Garten wuchs. Und wurde über 90.
Machen wir uns nicht manchmal zu viele Gedanken?
Für mich zählt weniger, was exakt auf deinem oder meinem Teller liegt - mich interessiert mehr, wie unser Hunger aufs Leben schmeckt.